3 S E R I E TONSTUDIOS
STICHW O RT
Pathos gestaltet er, ind em er sich vom Sinn
der W o rte leiten lässt. U n d je d e n D u rch -
gan g w irkt er b efreiter, lässt sein w o h ltö -
nend es ten orales T im b re m eh r erblühen .
B ei d iesem K ü n stler im Sp äth erbst seines
L eb en s h a b e n d ie Z eilen etw as H in te r-
sin n ig es, ja B erü h ren d es. Fü r ein en k u r-
zen M o m e n t m u ss ich an Jo h n n y C ash
d en k en , d er n a ch so m a n ch e r m ä ß ig en
P latte am End e un ter der O b h u t v o n P ro -
d uzent R ick R u b in zur B estfo rm auflief.
B ei n ü ch tern e r B etra ch tu n g zw ar ein zu
h o h e r M aß stab . A ber R esp ekt
v o r d em M u t, im h o h en A lter
au sg etreten e P fade zu v erlas-
sen , h a t der en g lisch e P op star
allem al verdient. „This is abso-
lu tely great, th a n k y o u “, find et
au ch G ü n ter Pauler.
U n d das g ilt n ic h t n u r fü r
d e sse n m u sik a lisc h e n A u s -
d ru ck , so n d e rn a u ch d en U m g a n g m it
der S tu d io tech n ik . So färb t der erfah ren e
P ro fi in tim e W e n d u n g e n a m E n d e d er
Z eile d u n k ler, in d em er sic h
d em M ik ro p h o n etw as näh ert.
D a das A E A K U 4 ein M ik ro -
p h o n m it N ie r e n c h a r a k te -
ristik ist, w erd en b e im so g e -
n a n n te n N ah b esp rech u n g sef-
fek t die T iefen an g eh oben , das
W and lerp rinzip m it B än d ch en
sorgt zudem für w eiche K lan g-
farben . T ro tz v o rg erü ck ter Stu n d e ist an
die M ittag sp au se n ic h t zu d en ken. V o l-
ler T a te n d ra n g n im m t m a n n u n „L ord
Mikrophone:
Mikrophone unter-
scheidet man in puncto
Richtcharakteristik
(Kugel, Niere, Acht)
und Wandlerprinzip
(Kondensatormikro-
phon, Dynamisches
Mikrophon, Bändchen-
mikrophon).
„Wahnsinn, was der bringt"
Alles fing damit an,
dass Günter Pauler
in den 70er-Jahren
Gitarrenverstärker
für Liedermacher
wie Hannes Wader
baute. Seit knapp
40 Jahren nun
schon prägt der
Northeimer als
Label-Besitzer
(Stockfisch Re-
cords), Produzent
und Toningenieur
die audiophile
Szene
Was macht Deine Aufnahmen audiophil?
Kein einzelner Faktor, sondern eine ge-
schlossene Kette von bestmöglichen Ele-
menten. Voraussetzung ist erstmal die Qua-
lität der Musiker, denn mit einem schlechten
Gitarristen beispielsweise wirst du keine gu-
te Aufnahme hinbekommen. Technisch be-
ginnt das mit Mikrophonen inklusive Kabeln
und Vorverstärkern, über das Mischpult bis
hin zu Peripheriegeräten. Dabei beobachte
ich immer, was es Neues auf dem Markt gibt,
gerade eben erst haben wir unsere Vorver-
stärker gewechselt. Und dann ist natürlich
auch etwas Talent von meiner Seite gefragt,
die Musik in eine gut klingende Mischung
zu bringen. Musiker erwarten sofortige Re-
aktionen auf und plausible Vorschläge für
ihre Arbeit. Es gibt nichts Schlimmeres als
begabte Produzenten oder Tonmeister, die
nicht kommunizieren können.
Welche Mikrophone verwendest Du?
Ich habe über 120 Mikrophone unterschied-
licher Art, verwende aber fast nur Konden-
sator-Mikrophone mit Kugelcharakteristik,
die den Frequenzgang aus allen Richtungen
linear einfangen, ohne Nahbesprechungsef-
fekt. Dass - wie in unserem Fall - ganz leicht
Schall von der Harfe auf die Mikros der Gitar-
re einstreut und umgekehrt, stört mich nicht.
Mikrophone mit Richtcharakteristik dagegen
mag ich nicht besonders. Ausnahme sind
Bändchenmikrophone, die eine Achter- oder
ganz selten auch eine Nierencharakteristik
haben, wie mein liebstes Gesangsmikrophon
AEA KU-4. Der Nachteil dieses Wandlerprin-
zips ist die sehr geringe Ausgangspannung,
die man um 60 bis 80 Dezibel verstärken muss.
Der Frequenzgang von Bändchenmikrophonen
fällt ab ca. 14 kHz langsam ab, was sehr natür-
lich klingt. Viele Kondensatormikrophone da-
gegen betonen prinzipbedingt hohe Frequen-
zen und geben etwa S-Laute überproportional
oder verzerrt wieder.
Kommen wir zur Akustik.
..
Von draußen hören w ir gar nichts, die Ab-
schirmung ist also perfekt. Generell wundert
mich, warum Leute so unglaublich viel Geld für
Lautsprecher ausgeben, aber den Aufwand für
Raumabsorber scheuen. Da unser Aufnahme-
raum eine seltene Geometrie hat, hatte ich das
Fraunhofer-Institut mit Berechnungen beauf-
tragt, um dessen Akustik zu optimieren. Dies
ist sehr aufwendig, da es überall hervorragend
klingen muss. Aber Fraunhofer hat gute Vor-
schläge gemacht und auch Absorber geliefert.
Beim Regieraum hingegen muss es ja nur am
Mischpult perfekt sein, wo ich allein oder zu
zweit sitze. Nachdem als Abhörmonitore Bo-
xen von Strauss installiert worden waren, be-
gann ich dort zu messen. Die Kurven habe ich
dann einem Konstrukteur geschickt, der zum
Beispiel sagte: „Genau dort müssen noch 50
Kilogramm Absorber an der Wand angebracht
werden." Irgendwo gibt es da eine Grenze,
wenn zum Beispiel bei 62 Hz der Messwert
nur noch um drei Dezibel von der Linearität
abweicht. Um das auszugleichen, verwende
ich einen analogen Equalizer von Strauss,
der diesen Messwert einfach reziprok aus-
gleicht. Entzerrung mittels Digitalfiltern (FIR)
empfand ich nach zwei Tagen als lästig - weil
Einschwingvorgänge dieser Filter in der Natur
nicht vorkommen, kann das menschliche Ohr
das Verhalten nicht interpretieren.
Wie wichtig ist die Stromqualität?
Die ist für uns Thema Nr. 1. Ich wundere mich
darüber, dass das viele meiner Kollegen noch
nicht erkannt haben, denn die Stromqualität
ist in vielen Gebieten inzwischen eine Ka-
tastrophe, bedingt zum Beispiel durch die
Vernetzung der Stromwerke, die unstimmige
Oberwellenstruktur des Ökostroms und hoch-
frequenten Schmutz durch kabellose Verbin-
dungen, Mobilfunk, etc. Hinzu kommt, dass
früher analoge Netzteile in Studios und in Hi-
Fi-Anlagen eine Menge ausgleichen konnten,
während heute in praktisch jedem Gerät ein
Schaltnetzteil steckt, das den HF-Schmutz
per handshake an die erste Verstärkerstufe
weitergibt. Da nützen keine Trenntrafos oder
Netzfilter. Zur Stromaufbereitung verwende
ich ein Gerät von PS Audio, die den Wech-
selstrom aus der Steckdose nimmt, ihn in
Gleichspannung umwandelt und eine neue
50-Hertz-Frequenz ansetzt. Dadurch geht
der Klirr auf ein Zehntel herunter, Gleich-
spannungsanteile werden eliminiert.
Nimmst Du immer noch in 44,1 kHz auf?
Bei den letzten beiden Produktionen haben
wir umgestellt auf 88,2 kHz, so dass w ir die
doppelte Bandbreite haben und es theore-
tisch besser klingen müsste, doch leider
tut es das nicht. Wir haben analysiert, was
oberhalb von 20 kHz an Signalen reinkommt
- es handelt sich nicht um musikalische
Anteile, sondern nur um hochfrequenten
Schmutz. Zunächst macht das nichts, weil
du es nicht wahrnehmen kannst, aber so-
bald man es runtersampelt auf 44,1 kHz,
ist der Schmutz im hörbaren Bereich. Das
bewirkt eine Verengung des Stereopanora-
mas und eine Verkleinerung der räumlichen
Tiefe, eine Reduzierung der Tonalität. Um
dies zu vermeiden, kontrolliere ich bei je-
der Aufnahme die Obertöne jeder Spur über
ein Spektrometer. Konsequenz ist, dass ich
zum Beispiel bei Tonabnehmern stark filtern
muss. Fast alle Mikrophone regeln Frequen-
zen in der Höhe ab 18 kHz ab, was sehr sinn-
voll ist. Ich beobachte das noch eine Weile,
aber momentan spricht viel dafür, von 88,2
kHz wieder auf 44,1 kHz zu gehen.
Was fasziniert Dich an Deinem Beruf?
Wenn ein Musiker spielt und du denkst:
„Das ist Wahnsinn, was der bringt". Das
setzt in mir Hormone frei, so dass ich alles
unternehme, um die Musik adäquat einzu-
fangen. Tony Christies Begleitband Ranagri
zum Beispiel kam mit einer furchtbaren Harfe
an, so dass ich extra nach Holland gefahren
bin, um ein gutes Instrument zu kaufen. In der
Szene wagen sich leider viele an Aufnah-
men, die für sie um Nummern zu groß sind.
Das ist tragisch für die Musiker, die nachher
grübeln: „Bin ich wirklich so schlecht"? So
etwas finde ich menschenverachtend.
50 STEREO 1/2015